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Gerichtsurteile

Oberlandesgericht Karlsruhe 2004

Bundesverfassungsgericht 2000

Bundesverfassungsgericht 2005

Bundesverwaltungsgericht 2005

Bundessozialgericht 2010

Verwaltungsgericht Köln 2011

Oberverwaltungsgericht Münster 2012 und 2014

Verwaltungsgericht Köln 2014

Bundesverfassungsgericht 2015

Bundesverwaltungsgericht 2016

Sozialgericht Düsseldorf 2016

Patientenurteile - Strafrecht

Patientenurteile - Sozialrecht

Sozialgericht Hildesheim 2017

Bundesverfassungsgericht 2018


Oberlandesgericht Karlsruhe 2004

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat im Jahr 2014 geurteilt, dass Patienten unter bestimmten Vorraussetzungen vom Vorwurf der Illegalen Cannabis verwendung freigesprochen werden müssen, da ein rechtfertigender Notstand vorliegt.

Ein Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 24. Juni 2004 (3 Ss 187/03) zeigt auf, unter welchen Bedingungen sonst illegale Cannabis-Produkte von Patienten medizinisch verwendet werden dürfen. Nach der Presseerklärung müssen drei Voraussetzungen vorliegen:
- Es muss eine schwere Erkrankung vorliegen.
- Diese Erkrankung oder Symptome dieser Erkrankung sind mit den zur Verfügung stehenden therapeutischen Möglichkeiten nicht oder nicht ausreichend behandelbar.
- Die Verwendung von Cannabis-Produkten muss die Krankheitssymptome tatsächlich lindern.
In der Presseerklärung heißt es: "Dabei sei für die Annahme einer solchen Eignung zwar nicht erforderlich, dass dieses Mittel die Gefahrenlage sicher oder mit hoher Wahrscheinlichkeit ausschließe, vielmehr reiche es aus, dass die erfolgreiche Abwendung des Schadens nicht ganz unwahrscheinlich sei." Die vollständige Presseerklärung des Oberlandesgerichts Karlsruhe mit dem Titel "Einnahme von Cannabis zur medikamentösen Behandlung kann aus Notstandsgesichtspunkten gerechtfertigt sein" kann hier als PDF-Datei heruntergeladen werden.

 

Bundesverfassungsgericht 2000

Das deutsche Betäubungsmittelgesetz erlaubt die Verwendung von illegalen Drogen nur zu "wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken". Eine solche Genehmigung erteilt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn. Im Jahr 2007 wurden die ersten Anträge von Patienten auf eine Ausnahmegenehmigung für eine medizinische Verwendung von Cannabis genehmigt. In einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Januar 2000 (AZ2 BvR 2382 - 2389/99) heißt es: "Die medizinische Versorgung der Bevölkerung ist danach auch ein öffentlicher Zweck, der im Einzelfall die Erteilung einer Erlaubnis (...) rechtfertigen kann."

Bundesverfassungsgericht 2005

In einem Beschluss vom 6. Dezember (Aktenzeichen: 1 BvR 347/98), der am 16. Dezember veröffentlicht wurde, hat das Bundesverfassungsgericht einer Verfassungsbeschwerde eines Patienten stattgegeben. In der Beschwerde forderte der an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leidende Kläger die Erstattung der Behandlungskosten für eine nicht zugelassene Behandlung durch seine Krankenkasse.
Dieses Urteil hat Auswirkungen auf die Kostenübernahme von Cannabinoiden durch die Krankenkassen.
Es sei mit der grundgesetzlich garantierten allgemeinen Handlungsfreiheit, dem Sozialstaatsprinzip und dem Grundrecht auf Leben nicht vereinbar, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.
Das Bundessozialgericht hat dieses Urteil in einer Entscheidung vom 13.10.2010 präzisiert (siehe dort).
Pressemitteilung zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts.

 

Bundesverwaltungsgericht 2005

Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Mai 2005 (BVerwG 3 C 17.04) bestätigt die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts und konkretisiert sie. Danach könne das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Anträge auf die medizinische Verwendung von Cannabis nicht pauschal ablehnen, wie das bisher geschehen war. Das Urteil erging im Fall eines 56-jährigen Rechtsanwalts, der unter multipler Sklerose leidet und medizinisch von Cannabis profitiert.
In seiner Begründung für das Urteil schreibt das Bundesverwaltungsgericht: "Die medizinische Versorgung der Bevölkerung ist kein globaler Akt, der sich auf eine Masse nicht unterscheidbarer Personen bezieht. Sie realisiert sich vielmehr stets durch die Versorgung einzelner Individuen, die ihrer bedürfen." Das Bundesverwaltungsgericht betont in seinem Urteil den hohen Wert des im Grundgesetz verankerten Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Es schreibt: "In das Recht auf körperliche Unversehrtheit kann nicht nur dadurch eingegriffen werden, dass staatliche Organe selbst eine Körperverletzung vornehmen oder durch ihr Handeln Schmerzen zufügen. Der Schutzbereich des Grundrechts ist vielmehr auch berührt, wenn der Staat Maßnahmen ergreift, die verhindern, dass eine Krankheit geheilt oder wenigstens gemildert werden kann und wenn dadurch körperliche Leiden ohne Not fortgesetzt und aufrechterhalten werden."
Ärzte dürften zwar keinen Cannabis verschreiben. Dies hindere "sie aber nicht, einen Patienten medizinisch zu betreuen und zu begleiten, der auf der Grundlage einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG solche Mittel im Rahmen der Schmerztherapie bei sich anwendet." Auf das Argument, Patienten könnten sich auch vom Arzt Dronabinol verschreiben lassen, auch wenn dieses teuer sei und von den Krankenkassen nicht immer erstattet werde, entgegnet das Bundesverwaltungsgericht: "Der Verweis auf ein Arzneimittel, das weder ohne weiteres verfügbar noch für den normalen Bürger erschwinglich ist, stellt aber keine Alternative dar, die das öffentliche Interesse am Einsatz von Cannabis zur Krankheitsbekämpfung entfallen lässt."
Das BfArM hat bisher nur Ausnahmegenehmigungen für die Verwendung eines Cannabisextraktes, der von der Firma THC Pharm hergestellt wird, erteilt, obwohl das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil geschrieben hatte, dass "insbesondere bei Cannabis" die Erlaubnis zum Eigenanbau in Frage komme. Konkret heißt es im Urteil: "Die Entscheidung, einem Patienten den Erwerb oder, was insbesondere bei Cannabis in Betracht kommt, etwa den Anbau zu gestatten, bleibt stets eine Einzelfallentscheidung. Sie muss die konkreten Gefahren des Betäubungsmitteleinsatzes, aber auch dessen möglichen Nutzen in Rechnung stellen. Dieser kann gerade bei schweren Erkrankungen, wie sie hier in Rede stehen, auch in einer Verbesserung des subjektiven Befindens liegen. Dabei ist sich der Betroffene bewusst, dass es keinerlei Gewähr für die therapeutische Wirksamkeit des eingesetzten Betäubungsmittels gibt" (Seite 14 des Urteils).
Ausführliche Erläuterungen zu dem Urteil finden sich in einer Presseerklärung der ACM vom 16. November 2005.
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts findet sich hier.

 

Bundessozialgericht 2010

Das Bundessozialgericht hat in einem Urteil vom 13.10.2010 (Az.: B 6 KA 48/09 R) festgestellt, dass die Verordnung eines Medikamentes (Megestrolazetat) auch bei Krebskranken nicht von den Krankenkassen erstattet werden muss. Bisher war vielfach davon ausgegangen worden, dass aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 6.12.2005 zumindest bei regelmäßig tödlichen Erkrankungen eine Erstattungspflicht für nicht zugelassene Medikamente bestehe, wenn diese den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen können. Dies gab bisher einen kleinen Spielraum auch für die Kostenerstattung von Dronabinol.
Die Richter des Bundessozialgerichts stellten jedoch klar, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts beziehe sich nicht auf die Verbesserung der Lebensqualität, sondern nur auf die Erfüllung der Hoffnung des Patienten auf eine rettende Behandlung in einer aussichtslosen gesundheitlichen Situation. Hoffnung könne in diesem Sinne ein Patient aber nur mit den Behandlungsmethoden verbinden, die geeignet sind, auf seine mutmaßlich tödlich verlaufende Grunderkrankung als solche einzuwirken. Nur bei einer Aussicht auf Heilung könne die Krankenkasse eine Behandlung nicht wegen Fehlens wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit verweigern. Da Cannabisprodukte keine Heilungsaussichten bei regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankungen eröffnen, sind die Krankenkassen auch bei Dronabinol vermutlich ebenfalls grundsätzlich nicht zu einer Kostenerstattung verpflichtet.
Pressemitteilung zum Urteil des Bundessozialgerichts.

 

Verwaltungsgericht Köln 2011

Das Verwaltungsgericht Köln hat in einem Urteil vom 21. Januar einem an multiple Sklerose erkrankten Patienten, der einen Antrag auf Eigenanbau von Cannabis für medizinische Zwecke gestellt hatte, zum Teil Recht gegeben. Die Ablehnung des Antrags durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vom 10. August 2010 sei rechtswidrig gewesen, erklärte das Gericht. Die Behörde muss nun neu über den Antrag entscheiden. Die Ablehnung des Antrags war vor allem mit Sicherheitsbedenken beim Anbau in der Wohnung, der Verwendung einer nicht standardisierten Substanz und der Schädigung des internationalen Ansehens Deutschlands durch eine Erlaubnis zum Eigenanbau begründet worden. Zudem argumentierte das BfArM, dass der Antragsteller Zugang zu Cannabis aus der Apotheke habe.

Der Antragsteller besitzt bereits eine Ausnahmegenehmigung vom BfArM zur Verwendung von Cannabis aus der Apotheke, der aus den Niederlanden importiert wird. Angesichts des erheblichen Bedarfs an Cannabis kann er sich diesen jedoch finanziell nicht leisten. Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass zwingende Gründe gegen eine Erlaubniserteilung nicht vorlägen. Die geplanten Sicherungsmaßnahmen des Klägers seien ausreichend. Der mit der Erlaubniserteilung verbundene Verstoß gegen das internationale Suchtstoffabkommen müsse nicht zwingend zu einer Versagung der Erlaubnis führen. Das BfArM habe auch beim Verstoß gegen das Abkommen einen Ermessensspielraum, innerhalb dessen auch die Interessen des Klägers angemessen zu berücksichtigen seien. Dieses Ermessen habe die Behörde nicht ordnungsgemäß ausgeübt.

Die Ablehnung vom 10. August basierte auf einer Anweisung durch das Bundesgesundheitsministerium. Aus den Aktennotizen in den Unterlagen des Antragsteller beim BfArM geht hervor, dass eine Erlaubnis zum Selbstanbau in seinem Fall "ohne Alternative" sei, das Institut jedoch der Anweisung Folge leisten musste.
Das Bundesgesundheitsministerium hat Berufung gegen das Urteil eingelegt.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln findet sich hier.

 

Oberverwaltungsgericht Münster 2012 und 2014

Oberverwaltungsgericht Münster: Patienten dürfen Cannabis zur Selbsttherapie anbauen, das BfArM habe jedoch weiterhin einen Ermessensspielraum und könne den Eigenanbau weiterhin ablehnen.

Schwerkranke Bundesbürger dürfen unter strengen Voraussetzungen Cannabis zuhause selbst anbauen. Dies stellte das Oberverwaltungsgericht Münster in einem Urteil vom 7. Dezember 2012 fest (OVG NRW 13 A 414/11). Die Begründung wurde nun veröffentlicht. Patienten, für deren Erkrankungen keine anderen und zumutbaren Therapien zur Verfügung stehen, jedoch von Cannabisprodukten medizinisch profitieren, können einen Antrag an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn stellen, damit sie im Rahmen einer ärztlich begleiteten und überwachten Selbsttherapie Cannabispflanzen in ihrer Wohnung anbauen dürfen. Bislang wurden solche Anträge auf Anweisung des Bundesgesundheitsministeriums grundsätzlich abgelehnt. Diese Praxis ist aber rechtswidrig, erklärte das Gericht.
Patienten, deren Krankenkassen die Kosten einer Therapie mit cannabinoidhaltigen Medikamenten übernehmen, haben allerdings keinen Anspruch auf eine Genehmigung zum Eigenanbau. Dies stellte das Gericht im konkreten Fall bei einem an Multipler Sklerose erkrankten Kläger fest und gab in diesem konkreten Einzelfall der beklagten Bundesrepublik Deutschland  recht, die die Erlaubnis zum Eigenanbau hier verweigert hatte. Der Kläger habe bisher nicht überzeugend darlegen können, dass das von seiner Krankenkasse bezahlte Medikament Dronabinol bei ihm nicht die gleiche medizinische Wirkung, wie der von ihm selbst angebaute Cannabis habe.
Die Argumente der Bundesopiumstelle gegen eine grundsätzliche Erteilung einer Genehmigung für den Eigenanbau durch Patienten wurden vom Gericht jedoch vollständig zurückgewiesen.  Das Urteil stellt klar: "Fehlt aber eine erschwingliche Behandlungsalternative, kommt die – im Ermessen des BfArM stehende – Erteilung einer Erlaubnis für den Eigenanbau von Cannabis in Betracht." Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte könne beim Eigenanbau zu therapeutischen Zwecken von den Antragstellern keine Sicherungsmaßnahmen gegen eine Entwendung verlangen, wie sie von pharmazeutischen Unternehmen gefordert wird. Die Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes wie auch die internationalen Suchtstoffübereinkommen müssten so ausgelegt werden, dass die Erteilung einer Erlaubnis an Privatpersonen möglich ist. Die Beschwerde des Patienten wurde dennoch abgewiesen, da er mit Dronabinol eine Alternative zum Selbstanbau von Cannabis besitze.

Bei der erneuten Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen in Münster am 11. Juni 2014 konzentrierte sich die Beweiserhebung auf die Frage, ob Dronabinol (THC) bei Michael F. die gleiche therapeutische Wirkung wie sein selbst angebauter Cannabis entfaltet. Dies wurde vom Gericht nach Anhörung der beiden behandelnden Ärzte verneint.
Trotz dieser Feststellung sprach das Gericht der Bundesopiumstelle in der Frage der Erlaubnis des Eigenanbaus weiterhin einen Ermessensspielraum zu. Konkret heißt es im Urteil (13 A 414/11): „Das Fehlen zwingender Versagensgründe rechtfertigt es indes nicht, die Beklagte [gemeint ist die Bundesopiumstelle bzw. die Bundesrepublik Deutschland] entsprechend dem Antrag des Klägers zur Erteilung der Erlaubnis zu verpflichten, vielmehr steht die begehrte Erlaubnis im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde.“

Die Bundesrepublik Deutschland hat gegen das Urteil Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht eingelegt. Es ist also noch nicht rechtskräftig.
 

Verwaltungsgericht Köln 2014

Patienten dürfen in bestimmten Fällen Cannabis selbst anbauen und der Ermessensspielraum der Bundesopiumstelle wird auf Null reduziert.

Das Verwaltungsgericht Köln hat am 22. Juli 2014 im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 08. Juli 2014 die Urteile zu den Klagen von fünf Patienten verkündet. Die fünf Kläger klagen das Recht auf den Eigenanbau von Cannabis ein, weil die Bundesopiumstelle ihre Anträge abgelehnt hat. Das Gericht stellte in seinem Urteil fest, dass die Bundesopiumstelle bei ihren Entscheidungen über die Anträge ihren Ermessensspielraum falsch ausgeübt habe.
In der Pressemitteilung des Gerichts zu den Urteilen (Az: 7 K 4447/11 und andere) heißt es: „Am heutigen Tag hat das Verwaltungsgericht Köln im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 8. Juli 2014 in fünf Verfahren, in denen die Kläger gegenüber dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Genehmigung erstreiten möchten, Cannabis für den Eigenkonsum zu therapeutischen Zwecken selbst anzubauen, die Urteile verkündet. In drei der fünf Verfahren hat das Gericht das BfArM verpflichtet, über die Anträge erneut zu entscheiden; in den beiden anderen Fällen hat es die Klagen abgewiesen. (...) Die gegen die Ablehnung gerichteten Klagen hatten in drei Fällen überwiegend Erfolg. Zur Begründung wies das Gericht nochmals darauf hin, dass die Voraussetzungen für die Zulassung des Eigenanbaus in jedem Fall eingehend und individuell zu prüfen seien. In drei Verfahren seien diese Voraussetzungen gegeben, insbesondere könne beim Anbau in den Wohnungen ein Zugriff Dritter auf die Pflanzen und Produkte hinreichend sicher ausgeschlossen werden."

Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Es kann noch Berufung eingelegt werden.

 

Bundesverfassungsgericht 2015

Cannabispflanzen, die von Schwerkranken zur Selbsttherapie in den eigenen vier Wänden angebaut werden, dürfen unter bestimmten Voraussetzungen nicht von der Polizei beschlagnahmt werden. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht  in einem Beschluss vom 11. Februar 2015 (AZ: 2 BvR 1694/14) über die Verfassungsmäßigkeit der Hausdurchsuchung bei einem Schmerzpatientin aus Hessen. Der Betroffene hatte aufgrund seines schweren Leidens im Juni 2013 von der Bundesopiumstelle eine Ausnahmeerlaubnis zum Erwerb von Cannabisblüten in der Apotheke erhalten. Wegen seiner geringen finanziellen Mittel war er jedoch nicht in der Lage, seinen täglichen Bedarf an Cannabis auf legale Weise zu decken und begann deshalb, Cannabis selbst anzubauen. Dies teilte er der Staatsanwaltschaft durch ein Schreiben seines behandelnden Arztes Franjo Grotenhermen mit. Er bat darin um eine Prüfung, ob von Strafverfolgungsmaßnahmen abgesehen werden könne und ob eine Notstandssituation vorliege. Eine Beschlagnahme der Cannabisblüten würde einen schweren Eingriff in seine gesundheitliche Situation bedeuten.

Das Amtsgericht Darmstadt ordnete dennoch im Januar 2014 die Durchsuchung seiner Wohnung sowie die Beschlagnahme eventueller Beweismittel an. In einer verschlossenen Abstellkammer wurden 21 Cannabispflanzen aufgefunden und sichergestellt. Das Landgericht Darmstadt wies die Beschwerde von Herrn Ackerman gegen die Beschlagnahme zurück, wogegen der Patient Beschwerde vor dem höchsten deutschen Gericht einlegte. Die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts entschied einstimmig, dass die Beschlüsse der Darmstädter Gerichte den Beschwerdeführer in seinem Recht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 des Grundgesetzes verletzt haben und damit verfassungswidrig seien. In seinem Beschluss stellt das Bundesverfassungsgericht fest, dass eine Durchsuchung in die im Grundgesetz garantierte Unverletzlichkeit der Wohnung "schwerwiegend" eingreift. Im konkreten Fall kritisiert der Zweite Senat, dass die Hausdurchsuchung und Beschlagnahme unverhältnismäßig gewesen seien: "Das Amtsgericht verzichtet in der Durchsuchungsanordnung auf jede einzelfallbezogene Begründung seiner Entscheidung, obwohl die besondere gesundheitliche Situation des Beschwerdeführers, seine Mittellosigkeit, die einer angemessenen und ärztlich indizierten Therapie entgegensteht, und seine Selbstanzeige hierzu Anlass gegeben hätten. Eine Verhältnismäßigkeitsprüfung fehlt vollständig. (…) Die Beschlagnahmeanordnung des Amtsgerichts sowie der diese bestätigende Beschluss des Landgerichts sind danach ebenfalls verfassungswidrig."

 

Bundesverwaltungsgericht 2016

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am 6. April2016 das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte dazu verpflichtet, einem Patienten mit Multipler Sklerose eine Ausnahmerlaubnis zum Eigenanbau von Cannabis zu erteilen (BVerwG 3 C 10.14). Das Urteil hat grundsätzliche Bedeutung für andere Antragsteller. Das vollständige Urteil findet sich hier

Der 52-jährige Kläger ist seit 1985 an Multipler Sklerose erkrankt. Die Symptome seiner Erkrankung behandelt er seit etwa 1987 durch die regelmäßige Einnahme von Cannabis. In der Pressemitteilung des Gerichts heißt es: 

"Auf die Revision des Klägers hat es die Urteile der Vorinstanzen geändert und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die beantragte Erlaubnis zu erteilen. Nach § 3 Abs. 2 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) kann das BfArM eine Erlaubnis zum Anbau von Cannabis nur ausnahmsweise zu wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken erteilen. Die Behandlung des schwer kranken Klägers mit selbst angebautem Cannabis liegt hier ausnahmsweise im öffentlichen Interesse, weil nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts die Einnahme von Cannabis zu einer erheblichen Linderung seiner Beschwerden führt und ihm gegenwärtig kein gleich wirksames und für ihn erschwingliches Medikament zur Verfügung steht. Der (ebenfalls erlaubnispflichtige) Erwerb von so genanntem Medizinalhanf aus der Apotheke scheidet aus Kostengründen als Therapiealternative aus. Seine Krankenkasse hat eine Kostenübernahme wiederholt abgelehnt. 

Vorinstanzen:
OVG Münster 13 A 414/11 - Urteil vom 11. Juni 2014
VG Köln 7 K 3889/09 - Urteil vom 11. Januar 2011

 

 Sozialgericht Düsseldorf 2016

Am 1. Juni 2016 hat das Sozialgericht Düsseldorf (Aktenzeichen: S 8 KR 338/16 ER) beschlossen, dass eine Krankenkasse ihr Mitglied „für die Zeit ab 1.7.2016 bis zum Ende des Hauptsacheverfahrens, zunächst längstens bis zum 30.6.2017 im Rahmen der Erlaubnis des BfArM vom 24.4.2014, mit ärztlich verordneten Medizinal-Cannabisblüten“ versorgen müsse.

In seinem Beschluss verweist das Sozialgericht unter anderem auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 4. Mai 2016 zur Verbesserung der Bevölkerung mit Medikamenten auf Cannabisbasis, sodass ein möglicher Versorgungsanspruch bestehe. Das Gericht stellt fest, dass im konkreten schweren Fall eines Schmerzpatienten im Wesentlichen für den Betroffenen „drohende erhebliche Nachteile“ ersichtlich seien, „dagegen keine (durchgreifenden Nachteile für die Versichertengemeinschaft“.

 

Patientenurteile - Strafrecht

Hier sind einige Urteile, die im Zusammenhang mit Strafverfahren gegen Patienten wegen des unerlaubten Besitzes von Cannabis ergangen sind, dokumentiert.

 

Patientenurteile - Sozialrecht

Hier werden Urteile dokumentiert, bei denen Patienten nach dem Gesetz zu Cannabis als Medizin aus 2017 eine Kostenübernahme vor dem Sozialgericht durchsetzen konnten. 

Sozialgericht Hildesheim 2017

Das Sozialgericht Hildesheim hat entschieden, dass die Befristung der Kostenübernahme im Falle des Cannabispatienten Bernd V. aus Göttingen nicht rechtens ist und hat einen entsprechenden Bescheid der AOK mit einem Urteil vom 21.11.2017 (Aktenzeichen: S32 KR 4041/17 ER) aufgehoben. In dem Urteil heißt es: „… Weist das Gericht daraufhin, dass gemäß § 31 Abs. 6 S. 2 SGB V eine Genehmigung der Krankenkasse nur bei einer erstmaligen Verordnung vorgesehen und eine Befristung dem Gesetz nicht zu entnehmen ist. Damit dürfte die von der Antragsgegnerin vorgenommene Befristung nicht rechtmäßig gewesen sein. Die weiteren Verordnungen durch den Arzt dürften somit keiner Genehmigung der Antragsgegnerin mehr bedürfen. (…) Damit dürfte der Antragsteller, sofern bereits eine Verordnung durch seinen Arzt ausgestellt wurde, sich auch ohne eine entsprechende Genehmigung das begehrte Mittel den in der Apotheke besorgen können.“
 

Bundesverfassungsgericht 2018

Am 26. Juni 2018 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Krankenkassen nach dem Gesetz zu Cannabis als Medizin, das am 10. März 2017 in Kraft trat, die Kosten nur übernehmen müssen, wenn „eine gewisse Mindestevidenz im Sinne des Vorliegens erster wissenschaftlicher Erkenntnisse“ für die Wirksamkeit bei einer bestimmten Erkrankung vorliegt (Aktenzeichen: 1 BvR 733/18).

Der Beschluss erging im Falle eines Patienten, der an einer besonders schweren Kopfschmerzform, so genannte Cluster-Kopfschmerzen, litt und wegen der Erkrankung seit langer Zeit arbeitsunfähig ist. Cannabis half ihm gegen seine Beschwerden. Seine Krankenkasse hatte die Kostenübernahme für eine Therapie mit Cannabisblüten abgelehnt, da es keine ausreichenden Studien gibt, die belegen, dass eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare Besserung durch Cannabis besteht. Dagegen hatte der Patient zunächst vor dem Sozialgericht Frankfurt und dann vor dem Hessischen Landessozialgericht geklagt. Beide Gerichte hatten die Verpflichtung der Kostenübernahme durch die Krankenkasse verneint. Die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde war nicht erfolgreich, da das Urteil des Landessozialgerichts keine Grundrechtsverletzung darstelle.

In ihrem Beschluss schreiben die Richter des Bundesverfassungsgerichts: „Die in § 31 Abs. 6 S. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) normierte Voraussetzung für eine Versorgung mit Cannabis, dass eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auch schwerwiegende Symptom bestehen muss, hat das Landessozialgericht nicht etwa offengelassen, sondern abschließend festgestellt, dass diese nicht vorliegt. Erforderlich sei eine gewisse Mindestevidenz im Sinne des Vorliegens erster wissenschaftlicher Erkenntnisse, dass bei dem konkreten Krankheitsbild durch den Einsatz von Cannabinoiden ein therapeutischer Erfolg zu erwarten ist. Für die symptomatische Behandlung von Cluster-Kopfschmerzen fehle es nach derzeitigem Ermittlungsstand an ausreichenden Indizien, dass durch den Einsatz von Medizinal-Cannabisblüten ein therapeutischer Erfolg zumindest möglich erscheine. Im Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Hessen vom 7. Juli 2017 werde dargelegt, dass die klinische Evidenz bei Cannabinoiden bereits in der Kopfschmerzbehandlung gering sei. Selbst eine Mindestevidenz im Sinne einer vergleichenden Untersuchung mit kleiner Fallzahl werde noch nicht erreicht. Bei Cluster-Kopfschmerzen sei die Datenlage noch schlechter als bei Migräne.“

 

Veranstaltungen 2020

Alle Informationen zu den IACM Online Events inklusive kostenlose Videos der Webinare mit deutschen Untertiteln finden Sie hier.

IACM-Konferenz 2022

Die 12. IACM-Konferenz zu Cannabinoiden in der Medizin wird am 20. und 21. Oktober 2022 zusammen mit der Schweizerischen SSCM in Basel/Schweiz stattfinden.

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