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IACM-Informationen vom 03. Oktober 1998

Deutschland: Petitionsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses für medizinische Verwendung

Der parlamentarische Petitionsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses hat am 29. September einstimmig die medizinische Verwendung von Cannabis befürwortet. Der Beschluss folgt einer Petition der Berliner Selbsthilfegruppe Cannabis als Medizin und der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen vom 25. März 1998.

Dem Petitionsausschuss gehören Mitglieder der Parteien CDU, SPD, PDS und Bündnis 90/Die Grünen an. "Damit ist der erste Schritt getan, um das Naturprodukt Cannabis als Arzneimittel zu etablieren", sagte Dietmar Volk, bündnisgrünes Mitglied des Petitionsausschusses.

Vertreter der Selbsthilfegruppe und der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM) begrüßten das Ergebnis. Dr. Franjo Grotenhermen, Vorsitzender der ACM, erklärte: "Besonders erfreulich ist, dass die Petition über alle Parteigrenzen hinweg positiv beschieden wurde. Das vergrößert die Chancen für eine sachliche und überparteiliche Behandlung des Themas auch auf der politischen Bundesebene."

In der Petition heisst es: "Wir alle müssen, zusätzlich zu den großen Belastungen, die chronische bzw. unheilbare Erkrankungen mit sich bringen, auch noch die durch die generelle Prohibition der Marihuanapflanze bedingte illegale Beschaffungsweise mit allen dazugehörigen Konsequenzen aushalten." Es wurde die Unterstützung der Forschung, die Erhältlichkeit natürlicher Cannabisprodukte und einzelner Cannabinoide auf einem einfachen ärztlichen Rezept in der Apotheke sowie die Möglichkeit, Hanf nach ärztlicher Bescheinigung selbst anbauen zu dürfen, gefordert.

Im Vorfeld des Beschlusses hatte der Petitionsausschuss Stellungnahmen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte und der Ärztekammer Berlin eingeholt. Die Ärztekammer Berlin hatte darauf hingewiesen, dass zwar seit Februar 1998 synthetisches THC in Deutschland rezeptiert werden dürfe, das Präparat jedoch mittels eines mehrwöchigen Verfahrens aus dem Ausland importiert werden müsse. Wie sich zudem herausstellt, ist das Präparat sehr teuer mit monatlichen Behandlungskosten von mehreren tausend Mark, die von den Krankenkassen nicht bezahlt werden müssen.

Der Petitionsausschuss wird laut Dietmar Volk jetzt den Bundespetitionsausschuss einschalten: "Unsere Hoffnung ist, dass eine Partei eine Gesetzesinitiative startet, damit der Wirkstoff als Medizin legalisiert wird und damit in jeder Apotheke erhältlich ist."

(Quellen: Berliner Zeitung vom 30. September 1998, TAZ vom 1. Oktober 1998, persönliche Mitteilungen)

Wissenschaft: Schmerz-Regelkreis im Gehirn wird durch Cannabinoide beeinflusst

Ein schmerzhemmender Regelkreis im Hirnstamm, der eine wichtige Rolle bei der Schmerzlinderung durch Opioide spielt, wird auch durch Cannabinoide aktiviert. Dies wiesen Wissenschaftler der Universität von Kalifornien in San Francisco in einer Studie nach, die am 24. September in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurde.

Rezeptoren für Cannabinoide finden sich unter anderem in Hirnregionen, die eine große Bedeutung für die Schmerzwahrnehmung haben, darunter im sogenannten rostralen ventromedialen Mark (RVM) im Hirnstamm. Das RVM enthält sogenannte 'Aus'- und 'Ein'-Nervenzellen. 'Aus'-Zellen hemmen die Weiterleitung von Schmerzsignalen vom Rückenmark zum Gehirn und reagieren auf periphere Schmerzreize mit einer Pause ihrer Aktivität. 'Ein'-Zellen erleichtern dagegen die Schmerzweiterleitung und weisen bei Schmerzreizen eine explosionsartige Aktivität auf.

Es ist bekannt, dass die stark schmerzlindernden Opioide hier angreifen, indem sie die 'Aus'-Zellen-Pause und die 'Ein'-Zellen-Aktivitätsexplosion verhindern. Ian D. Meng und seine Kollegen konnten nun in Versuchen mit Ratten nachweisen, dass Cannabinoide in gleicher Weise wirken, jedoch über einen anderen Mechanismus auf zellulärer Ebene. Eine Inaktivierung des RVM hob den schmerzlindernden Effekt auf, aber nicht die Cannabinoid-Wirkung auf den Bewegungsablauf.

Die Forscher verwendeten das synthetische Cannabinoid WIN55,212-2, das wie THC auf die Cannabinoid-1-Rezeptoren im Gehirn wirkt und die gleichen Effekte wie der natürliche Cannabiswirkstoff hervorruft. Aktivitätsmessungen der Nervenzellen im RVM von Ratten, die einen standardisierten Schmerzreiz erhalten hatten, zeigten, dass das Cannabinoid die gleichen Wirkungen wie Morphin auf die 'Aus'- und 'Ein'-Zellen ausübte.

Allerdings wirken Morphin und WIN55,212-2 über unterschiedliche Rezeptoren. Wurde nämlich parallel ein Cannabinoid-Antagonist gegeben, so wurde zwar die Cannabinoid-Wirkung gehemmt, nicht jedoch die des Morphins. Wurde andererseits ein Opiat-Antagonist verabreicht, so wurde die Wirkung des Morphins gehemmt, nicht jedoch die von WIN55,212-2.

"Betrachtet man die unterschiedlichen Nebenwirkungsprofile (beispielsweise steigern die Cannabinoide den Appetit, während Opioide Übelkeit hervorrufen können und atemdepressiv wirken) könnten Cannabinoide nützlich in der Verbesserung der Schmerztherapie sein," heisst es abschließend im Nature-Artikel.

(Quelle: Meng, I. D., Manning, B. H., Martin, W. J., Fields, H. L.: An analgesia circuit activated by cannabinoids. Nature (1998) 395:381-383)

Schweiz: BAG schlägt Straffreiheit für Konsum vor

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) schlägt für die Revision des Betäubungsmittelgesetzes zwei Varianten vor. Die eine sieht die absolute Straffreiheit für den Konsum sowohl von Cannabis als auch von Heroin und Kokain vor, die zweite will den Konsum weiterhin bestrafen, aber Ausnahmen zulassen. Herstellung und Verkauf sollen in beiden Varianten weiterhin verboten bleiben.

Das Amt sei der Meinung, dass bezüglich Strafbarkeit alle Substanzen gleich behandelt werden sollten, sagte BAG-Direktor Thomas Zeltner gegenüber der "SonntagsZeitung". Eine totale Legalisierung von Cannabis, die auch die Straffreiheit für die Produktion und den Handel zur Folge hätte, lehnt das BAG jedoch ab.

Das zweite Modell will die Bestrafung des Konsums beibehalten, aber genauer festschreiben, in welchen Fällen von einer Strafe abgesehen werden könne. Die klareren Richtlinien sollen zu einer einheitlichen Rechtsprechung führen. Die Gerichte sollen auch beim Besitz von kleinen Drogenmengen auf eine Bestrafung verzichten können.

Die Arbeitsgruppe Drogenpolitik der Bundesratsparteien schlägt vor, die Straffreiheit des Drogenkonsums zunächst in einem Modellversuch in einigen Städten zu testen. Nach Ansicht von Marie-Louise Baumann vom Sekretariat der Arbeitsgruppe ist ein solcher Zwischenschritt nötig, um eine Mehrheit für die Liberalisierung zu finden.

Die Vorschläge des BAG zur Revision des Betäubungsmittelgesetzes gehen nun an den Bundesrat. Am 29. November stimmt das Volk über die Droleg-Initiative ab, welche eine vollständige Liberalisierung verlangt.

(Quelle: sda/rk vom 20. September 1998)

Kurzmeldungen

Wissenschaft:
Dexanabinol (HU-211), ein synthetischer nicht-psychotroper THC-Abkömmling mit nervenschützenden Eigenschaften, könnte möglicherweise auch die schädlichen Effekte von Nervengas neutralisieren. Die Substanz wird zur Zeit von Pharmos Ltd., einem israelischen Biotechnologiekonzern, und von US-Militärwissenschaftlern getestet. Bisher wurde die Substanz vor allem als mögliches zukünftiges Medikament bei Schlaganfall und Schädeltraumen angesehen. In einer klinischen Studie an 67 Patienten mit Schädelhirnverletzungen fanden sich ermutigende Resultate. Das Pentagon sucht intensiv nach Gegenmitteln und Impfstoffen, um seine Truppen vor den Folgen eines Einsatzes von chemischen und biologischen Waffen zu schützen. In einer Studie an Ratten reduzierte Dexanabinol, das fünf Minuten nach einer Vergiftung mit Nervengas gegeben wurde, den Hirnschaden um 75%.
(Quelle: Dow Jones vom 28. September 1998)

Deutschland:
Etwa 6.500 Menschen besuchten die "CannaBusiness '98" vom 25. bis 27. September in Hennef in der Nähe von Köln. Die Aussteller der weltgrößten Hanfmesse präsentierten auch in diesem Jahr wieder vielfältige Produkte aus Industriehanf wie Kleidung und Nahrungsmittel von Nudeln bis Hanf-Eis sowie Produkte für den Drogenkonsum wie Pfeifen und Beleuchtungssysteme für den Anbau. Parallel fanden Vortragsreihen zu den Themen Hanfwirtschaft, Cannabis als Medizin und Cannabis als Droge/Rechtliche Fragen statt.

Wissenschaft:
Dr. Lester Grinspoon und Co-Autor William Nowak planen die Herausgabe eines Buches über den Nutzen von Marihuana. Sie erbitten Berichte von rekreativen und medizinischen Marihuanakonsumenten über die Art und Weise, wie sie Marihuana als nützlich erlebt haben. Ausgewählte Beiträge werden in das Buch aufgenommen. Anonymität wird auf Wunsch zugesichert. Die folgende Web-Seite bietet Richtlinien für die Abfassung von Beiträgen sowie einige Beispiele von früheren Zusendungen: www.marijuana-uses.com/. Beiträge können geschickt werden an: GrinspL@warren.med.harvard.edu

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