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IACM-Informationen vom 29. Januar 2011

Deutschland: Anträge auf Eigenanbau von Cannabis für medizinische Zwecke dürfen nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln nicht pauschal abgelehnt werden

Das Verwaltungsgericht Köln hat in einem Urteil vom 21. Januar einem an multiple Sklerose erkrankten Patienten, der einen Antrag auf Eigenanbau von Cannabis für medizinische Zwecke gestellt hatte, zum Teil Recht gegeben. Die Ablehnung des Antrags durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), das der Aufsicht des Bundesgesundheitsministeriums untersteht, vom 10. August 2010 sei rechtswidrig gewesen, erklärte das Gericht. Die Behörde muss nun neu über den Antrag entscheiden. Die Ablehnung des Antrags war vor allem mit Sicherheitsbedenken beim Anbau in der Wohnung, der Verwendung einer nicht standardisierten Substanz und der Schädigung des internationalen Ansehens Deutschlands durch eine Erlaubnis zum Eigenanbau begründet worden. Zudem argumentierte das BfArM, dass der Antragsteller Zugang zu Cannabis aus der Apotheke habe. Michael Fischer aus Mannheim ist seit vielen Jahren auf Cannabis angewiesen und wurde im Jahr 2003 in einem strafrechtlichen Verfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz unter dem Gesichtspunkt des rechtfertigenden Notstands freigesprochen.

Er besitzt bereits eine Ausnahmegenehmigung vom BfArM zur Verwendung von Cannabis aus der Apotheke, der aus den Niederlanden importiert wird. Etwa 40 weitere Patienten aus Deutschland besitzen ebenfalls eine Erlaubnis zur Verwendung von Cannabis aus der Apotheke. Angesichts des erheblichen Bedarfs an Cannabis kann Herr Fischer sich diesen jedoch finanziell nicht leisten. Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass zwingende Gründe gegen eine Erlaubniserteilung nicht vorlägen. Die geplanten Sicherungsmaßnahmen des Klägers seien ausreichend. Der jahrelange Eigenanbau belege, dass der Kläger sich durch eine Therapie mit diesem Cannabis nicht selbst schädige. Der mit der Erlaubniserteilung verbundene Verstoß gegen das internationale Suchtstoffabkommen müsse nicht zwingend zu einer Versagung der Erlaubnis führen. Das BfArM habe auch beim Verstoß gegen das Abkommen einen Ermessensspielraum, innerhalb dessen auch die Interessen des Klägers angemessen zu berücksichtigen seien. Dieses Ermessen habe die Behörde nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Die deutsche Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM), die diesen Musterprozess finanziert, begrüßte das Urteil.

Die Ablehnung vom 10. August basierte auf einer Anweisung durch das Bundesgesundheitsministerium. Aus den Aktennotizen in den Unterlagen von Herrn Fischer beim BfArM geht hervor, dass eine Erlaubnis zum Selbstanbau in seinem Fall "ohne Alternative" sei, das Institut jedoch der Anweisung Folge leisten musste. Das Ministerium hat nun nicht nur eine gerichtliche Niederlage erlitten, sondern sieht sich auch kritischen Fragen von Mitgliedern des Deutschen Bundestags zu dem Vorgang ausgesetzt.

Mehr unter:
- www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php
- www.justiz.nrw.de/Presse/presse_weitere/PresseOVG/21_01_2011/index.php
- www.123recht.net/article.asp?a=84464&ccheck=1

(Quellen: Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Köln vom 21. Januar 2011, dpa vom 21. Januar 2011)

Kurzmeldungen

Wissenschaft: Wirkungsmechanismen
Nach Aussagen von Wissenschaftlern der Universität von Coimbra (Portugal) hemmen viele Cannabinoide die Aufnahme von Adenosin und Dopamin aus den Synapsen. Eine Synapse ist eine Verbindung, die es einer Nervenzelle erlaubt, ein Signal an eine andere Zelle weiterzugeben. Die Hemmung der Aufnahme dieser beiden Substanzen durch Cannabinoide war unabhängig von Cannabinoidrezeptoren. Nach Angaben der Untersucher könnten diese Wirkungen "einen zusätzlichen Mechanismus darstellen, wenn es darum geht, synaptische Wirkungen von Cannabinoiden zu interpretieren". (Quelle: Pandolfo P, et al. EUR J Pharmacol, 22. Januar 2011 [im Druck])

Wissenschaft: Querschnittslähmung
Nach der Forschung an der Universität Kiel (Deutschland) verändert sich die Zahl der Cannabinoid-1-Rezeptoren nach einer Querschnittslähmung, mit einer Zunahme in einigen Regionen des Gehirns und einer Abnahme in anderen. (Quelle: Knerlich-Lukoschus F, et al. J Neurotrauma, 25 Januar 2011 [im Druck])

Wissenschaft: Posttraumatische Stressstörung
Nach Angaben von Forschern nationaler Zentren für posttraumatische Stressstörungen in den USA, die 432 Kriegsveteranen mit einer Diagnose einer posttraumatischen Stressstörung begleiteten, wiesen jene mit einem schlechteren Behandlungsergebnis ein höheres Risiko für einen späteren Cannabiskonsum auf (vier Monate nach der Entlassung aus dem Zentrum). Sie stellten fest, dass "diese Wirkungen spezifisch für Cannabis waren und nicht auf andere Substanzen zutrafen". (Quelle: Bonn--Miller MO, et al. Psychol Addict Behav, 24. Januar 2011 [im Druck])

Wissenschaft: Alzheimer-Krankheit
Nach Forschung an der staatlichen Universität von Louisiana in New Orleans (USA) schützt das Endocannabinoid 2-Arachidonoylglycerol Nervenzellen vor Schäden durch Beta-Amyloid. Beta-Amyloid wird vermehrt beim Morbus Alzheimer produziert. Die Forscher stellten fest, dass ihre "Ergebnisse nahe legen, dass eine Zunahme des endogenen 2-AG durch Hemmung seiner Hydrolyse das Potenzial für einen neuen wirksamen therapeutischen Ansatz zum Schutz, zur Verbesserung oder zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit besitzt". (Quelle: Chen X, et al. Neuroscience, 19. Januar 2011 [im Druck])

Wissenschaft: Alzheimer-Krankheit
Nach Aussagen italienischer Forscher übt das Endocannabinoid Palmitoylethanolamid entzündungshemmende Eigenschaften aus, die den durch Amyloid-Beta induzierten toxischen Effekten auf Astrozyten entgegenwirkt und "eine neue Therapie für neuroinflammatorische/neurodegenerative Prozesse nahe legt". (Quelle: Scuderi C, et al. J Cell Mol Med, 21. Januar 2011 [im Druck])

Wissenschaft: Sepsis
Nach Angaben spanischer Forscher schützt das natürliche Cannabinoid Cannabidiol (CBD) in einem Mausmodell vor negativen Konsequenzen einer Sepsis. Es schützte vor einer Erweiterung der kleinen Arterien und Venen. (Quelle: Ruiz-Valdepenas L, et al. J Neuroinflammation 2011;8(1):5.)

Wissenschaft: THC-Gabe
Wissenschaftler der Universität Kentucky (USA) untersuchen die nasale Gabe von THC-Zubereitungen bei Tieren. Die mittlere Bioverfügbarkeit betrug 13,3 bzw. 15,4 Prozent für eine nasale THC-Lösung und eine Gel-Zubereitung. (Quelle: Al-Ghananeem AM, et al. Drug Dev Ind Pharm, 18. Januar 2011 [im Druck])

Wissenschaft: Wechselwirkung
Wissenschaftler der Universität von Guelph (Kanada) zeigten, dass das Cannabinoid Cannabigerol (CBG) die Wirkungen von Cannabidiol (CBD) gegen Übelkeit und Erbrechen bei Tieren (Ratten und Spitzmäuse) hemmte. Sie folgerten, dass die "Interaktionen zwischen moderaten Dosen von CBG und CBD sich am 5-HT(1A)-Rezeptor bei der Regulierung von Übelkeit und Erbrechen zu gegensätzlichen Wirkungen führen können". (Quelle: Rock EM, et al. Psychopharmacology (Berl), 18. Januar 2011 [im Druck])

Wissenschaft: Appetit
Forscher der Universität von Sau Paulo (Brasilien) zeigten, dass Cannabidiol (CBD) den erhöhten Appetit, der durch CB1-Rezeptoragonisten induziert wurde, hemmte. Sie schlugen vor, dass "seine Rolle als ein möglicher Regulator der Nahrungsaufnahme weiter untersucht werden sollte". (Quelle: Scopinho AA, et al. Pharmacol Biochem Behav, 14. Januar 2011 [im Druck])

Wissenschaft: Krebs
Wissenschaftler der Complutense-Universität von Madrid (Spanien) untersuchten Gründe, warum Gliom-Zellen resistent gegen die Anti-Tumor-Wirkung von Cannabinoiden sein können. Sie beobachteten, dass ein bestimmter Mechanismus, die Stimulierung der so genannten Midkine/ALK-Achse Gliom-Zellen resistent gegen die Cannabinoidwirkung macht, und schlagen vor, dass "das selektive Herangehen an die Mdk/ALK-Achse helfen könnte, die Wirksamkeit einer THC-Behandlung bei Tumoren verbessern helfen könnte". (Quelle: Lorente M, et al. Cell Death Differ, 14. Januar 2011 [im Druck])

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