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IACM-Informationen vom 20. März 1999

USA: Regierungsfinanzierter Bericht schlägt als Zwischenlösung Zugang zu Marihuana als Medizin innerhalb klinischer Studien vor

Die seit langem erwartete regierungsfinanzierte Studie des Instituts für Medizin (IOM, Institute of Medicine) drängt Politiker, ihre harte Haltung gegen die therapeutische Verwendung von Cannabis aufzugeben. Sie besagt, dass Marihuana potentiell bei einer Reihe von Symptomen wirksam sei und empfiehlt genaue klinische Studien und die Entwicklung von Applikationssystemen, die die schädlichen Effekte des Rauchens eliminiert. Außer den Schäden durch das Rauchen bewegten sich die Probleme bei der arzneilichen Verwendung von Marihuana innerhalb eines akzeptablen Rahmens, wie sie auch mit der Verwendung anderer Medikamente assoziiert seien.

Darüber hinaus könnte Marihuana für die medizinische Verwendung erlaubt werden, ohne dass die nichtmedizinische Verwendung zunehmen würde. Der Bericht greift die Annahmen von Gegnern der medizinischen Verwendung an, nach denen eine Zulassung als Medikament "das falsche Signal aussenden" würde. Die Autoren erklären, dass es "keine überzeugenden Daten für die Unterstützung dieser Besorgnis" gäbe, und stellen fest, dass "diese Frage sich jenseits der Themen bewegt, die normalerweise für medizinische Anwendungen von Medikamenten betrachtet werden."

Die mit einer Million Dollar finanzierte, 18 Monate dauernde Studie, die am 17. März in Washington vorgestellt wurde, gibt sechs Empfehlungen, darunter die Durchführung klinischer Studien, die es Patienten mit chronischen Zuständen oder Erkrankungen im Endstadium, die keine andere Alternative haben, erlauben würde, Marihuana sechs Monate lang auf einer experimentellen Basis zu verwenden.

Ihre Schlussfolgerungen kontrastieren deutlich die Sichtweise von Mitgliedern des amerikanischen Kongresses, die bei diesem Thema eine harte Linie bevorzugen. Im letzten Herbst, hat das Repräsentantenhaus mit 310 zu 93 Stimmen eine Resolution verabschiedet, nach der Marihuana eine gefährliche und suchterzeugende Droge sei, die nicht für die medizinische Verwendung legalisiert werden sollte.

Der Bericht "Marihuana und Medizin: Bewertung der wissenschaftlichen Basis" war im Januar 1997 von der nationalen Drogenkontrollbehörde des Weißen Hauses angefordert worden. Das Institut für Medizin nahm ihre Arbeit im August 1997 auf. Diese umfasste mehrere öffentliche Anhörungen, Besuche bei Cannabis Buyers Klubs und HIV/AIDS-Kliniken und Monate der Analyse der wissenschaftlichen Datenbasis. 1982 hatte das IOM seinen ersten Bericht zur medizinischen Verwendung von Marihuana veröffentlicht und darin festgestellt, dass Cannabis und seine Abkömmlinge bei der Behandlung verschiedener Störungen wie Glaukom, Asthma und Übelkeit bei Krebschemotherapie "vielversprechend" seien.

Einige Auszüge aus der Zusammenfassung des neuen 290 Seiten starken Berichts:

--- Zum therapeutischen Potential ---
"Die angehäuften Daten zeigen einen potentiellen therapeutischen Wert für Cannabinoid-Medikamente, insbesondere für Symptome wie Schmerzlinderung, Kontrolle von Übelkeit und Erbrechen sowie Anregung des Appetits."
"Die Effekte von Cannabinoiden auf die untersuchten Symptome sind im Allgemeinen moderat und in den meisten Fällen gibt es wirksamere Medikamente. Allerdings variieren Menschen in ihrer Ansprechbarkeit auf Medikamente und es gibt wahrscheinlich immer Untergruppen von Patienten, die nicht gut auf andere Medikamente ansprechen."
"In Fällen, in denen die Symptome vielfältig sind, könnte die Kombination von THC-Effekten eine Form der Kombinationstherapie liefern. Beispielsweise würden abgemagerte AIDS-Patienten vermutlich von einer Medikation profitieren, die gleichzeitig Angst, Schmerzen und Übelkeit reduziert sowie den Appetit anregt."

--- Zu möglichen Schäden ---
"Marihuana ist keine vollständig gutartige Substanz. Es ist eine starke Droge mit einer Vielzahl von Effekten. Allerdings bewegen sich die unerwünschten Effekte einer Marihuanaverwendung mit Ausnahme der Schäden, die mit dem Rauchen verbunden sind, innerhalb der Effekte, die bei anderen Medikamenten toleriert werden."
"Die chronischen Effekte von Marihuana (...) sind zwei Kategorien zuzuordnen: Die Effekte durch chronisches Rauchen und die THC-Effekte."
"Es wurde ein spezifisches Marihuana-Entzugssyndrom identifiziert, aber es ist mild und kurzlebig."
"Es gibt keinen schlüssigen Beweis, dass die Drogeneffekte von Marihuana kausal mit dem späteren Missbrauch anderer illegaler Drogen verbunden sind."
"Weder unterstützen noch widerlegen gegenwärtige Daten über den Verlauf der Drogenverwendung die Annahme, die medizinische Verfügbarkeit würde den Drogenmissbrauch verstärken."

--- Zur medizinischen Verwendung und klinischen Studien ---
"Der Bericht folgert, dass die Zukunft der Cannabinoid-Medikamente nicht im gerauchten Marihuana, sondern in chemisch definierten Medikamenten liegt (...). Bis diese Medikamente entwickelt werden können und für die medizinische Verwendung verfügbar sind, empfiehlt der Bericht Zwischenlösungen."
"Obwohl die meisten Wissenschaftler, die Cannabinoide untersuchen, darin übereinstimmen, dass die Wege zur Entwicklung von Cannabinoid-Medikamenten klar vorgezeichnet sind, so gibt es doch keine Garantie, dass die Früchte der wissenschaftlichen Forschung der Öffentlichkeit für die medizinische Verwendung verfügbar gemacht wird. Medikamente auf Cannabinoid-Basis werden nur erhältlich sein, wenn eine öffentliche finanzielle Unterstützung der Forschung gesichert ist und wenn es genügend Anreiz für Privatunternehmen zur Entwicklung und Vermarktung solcher Medikamente gibt."
"Klinische Studien zur Marihuanaverwendung für medizinische Zwecke sollten (...) nur eine kurzzeitige Marihuanaverwendung (weniger als sechs Monate) umfassen."
"Bis ein nichtrauchbares, schnell einsetzendes Cannabinoid-Applikationssystem erhältlich ist, erkennen wir an, dass es keine klare Alternative für Menschen gibt, die unter chronischen Zuständen leiden, welche durch das Rauchen von Marihuana gelindert werden könnten, wie etwa Schmerzen oder Abmagerung bei AIDS. Ein mögliches Vorgehen ist die Behandlung von Patienten innerhalb von Ein-Personen-Studien, (...)."

Das Institut für Medizin wurde 1970 durch die Nationale Akademie der Wissenschaften eingerichtet, damit es politische Themen untersucht, die für die öffentliche Gesundheit von Bedeutung sind. Die Zusammenfassung der Studie ist erhältlich auf der IOM Internetseite:
www2.nas.edu/medical-mj/index.html

(Quellen: Joy JE, Watson SJ, Benson JA (eds): Marijuana and Medicine: Assessing the Science Base. Institute of Medicine, National Academy Press, Washington DC 1999; Pressemitteilung des IOM vom 17. März 1999; UPI, Reuters, PR Newswire, AP, PA News vom 17. März 1999)

Wissenschaft: Behandlung des Tourette Syndroms mit Cannabis und THC

Ein Patient mit Tourette-Syndrom wurde erfolgreich mit THC behandelt, nachdem er seinen Ärzten von der Erleichterung seiner Beschwerden durch Marihuanarauchen berichtet hatte. Das Gilles de la Tourette-Syndrom, kurz: Tourette-Syndrom, ist eine häufige und komplexe neuropsychiatrische Erkrankung, die charakterisiert ist durch plötzliche Zuckungen vor allem des Gesichts-, Hals- und Schulterbereiches, sogenannte Tics.

Der 25jährige Mann entwickelte die Erkrankung in der Kindheit und wurde im Alter von 22 Jahren diagnostiziert. "Im Alter von 19 Jahren begann er, Marihuana zu rauchen. Wenn er 2 bis 3 Gramm pro Tag rauchte, bemerkte er eine deutliche Verbesserung sowohl von vokalen als auch motorischen Tics. Daher beendete er die weniger wirksame Behandlung mit Pimozid," heißt es in einem Brief von Dr. Kirsten Mueller-Vahl und Kollegen von der Universität von Hannover an das American Journal of Psychiatry.

Der Patient wurde einmalig mit 10 mg Delta-9-THC behandelt und seine Symptome besserten sich deutlich nach objektiven Kriterien und subjektivem Erleben. Der Score zur Erfassung der Gesamtschwere der Tics sank innerhalb von 2 Stunden nach der Behandlung von 41 auf 7. Sowohl die motorischen als auch die vokalen Tics verbesserten sich. Diese Veränderungen setzten 30 Minuten nach der Behandlung ein und hielten etwa 7 Stunden an. Es traten keine Nebenwirkungen auf. Auch die Reaktionszeit und die Aufmerksamkeit wurden gebessert. Bei der Kölner Tagung zu Cannabis und Cannabinoiden als Medizin im Dezember 1998 hatte Dr. Mueller-Vahl ein eindrucksvolles Video präsentiert, welches diese Veränderungen dokumentierte.

So wie bei anderen Indikationen für THC bzw. Dronabinol auch, wurden die Wissenschaftler zur Durchführung der Studie durch reproduzierbare Erfahrungen von Patienten mit natürlichem Cannabis angeregt (Mueller-Vahl et al. 1997). Eine anschließende klinische Studie von 10 mit THC behandelten Patienten, wurde im Dezember 1998 abgeschlossen und befindet sich nun in der Auswertung.

(Quellen: Mueller-Vahl KR, Kolbe H, Dengler R.: Gilles de la Tourette-Syndrom. Einfluss von Nikotin, Alkohol und Marihuana auf die klinische Symptomatik. Nervenarzt 68:985-989, 1997; Mueller-Vahl KR, Schneider U, Kolbe H, Emrich HM: Treatment of Tourette's syndrome with delta-9-tetrahydrocannabinol. Am J Psychiatry 156:3, 1999.)

Kurzmeldungen

Kanada:
Der Ehemann einer Frau, die einen langen gerichtlichen Kampf für die Legalisierung von Marihuana für medizinische Zwecke ausgefochten hat, sieht einer Verurteilung wegen Drogenbesitzes und -handel entgegen. Der 47jährige Mike Haricky wurde nach einer Polizeirazzia in dem von ihm betriebenen Cannabis Buyers Klub verhaftet. Besitzerin des Zentrums ist seine Frau Lynn, die Multiple Sklerose hat. Das Zentrum wurde 1998 eröffnet, um die Droge an Mitglieder mit bestimmten Erkrankungen wie Krebs oder an Menschen mit einem Brief von ihrem Arzt, der die Marihuanaverwendung für andere Leiden gutheißt, abzugeben.
(Quelle: Comtex Newswire vom 9. März 1999)

USA:
Forscher, die klinische Studien zur Wirksamkeit einer medizinischen Marihuanaverwendung durchführen wollen, erklären, dass während die Regierung öffentlich zu solchen Studien auffordere, sie im Verborgenen an der Unterdrückung der Vorschläge arbeite. Es habe seit mehr als zehn Jahren keine von der Regierung unterstützen Studien gegeben. Forscher wie Dr. Ethan Russo von der Western Montana Klinik in Missoula, erklären, dass Regierungsbehörden wie die Nationalen Institute für Gesundheit, das Nationale Institut für den Drogenmissbrauch und die Arzneimittelbehörde (Food and Drug Administration) Wege finde, um die Verhinderung von Studien sicherzustellen.
(Quelle: UPI vom 12. März 1999)

USA:
Am 3. März 1999 wurde die 'Maßnahme 8', Alaskas medizinische Marihuana-Initiative, die von nahezu 60 Prozent der Wähler unterstützt wurde, Gesetz. Am 4. März brachte Senator Loren Leman eine Gesetzesänderung ein, die einige Schlüsselbestimmungen des neuen Gesetzes modifizieren würde. Zwei größere Vorschläge werden als besonders kontrovers angesehen. Der erste würde die Registrierung der Patienten bei Alaskas Gesundheitsministerium erfordern. Damit würden die Exekutivorgane Zugang zu dieser Registrierung erhalten. Der zweite kontroverse Punkt ist eine Feststellung, nach der Ärzte eine Bescheinigung mit der Empfehlung von Marihuana für Patienten ausstellen müssten, in der es heißt: "Es gibt keine andere legale, vom Patienten tolerierte Behandlungsmöglichkeit, die so effektiv in der Linderung des schweren medizinischen Zustandes ist."
(Quelle: DRCNet vom 12. März 1999)

Australien:
In einer australischen Studie von Autofahrern und psychotropen Drogen, haben Forscher aus Perth herausgefunden, dass mehr Leute wahrscheinlicher Alkohol trinken und fahren, als Drogen zu nehmen und zu fahren. Professor Tim Stockwell, Direktor des Nationalen Zentrums für die Erforschung der Vorbeugung des Drogenmissbrauchs an der Curtin-Universität, erklärte, die Studie zeige, dass die Investierung von Geld in Drogentests von Autofahrern eine Fehlverwendung von ResQuellen sei. Die Untersuchung fand heraus, dass 77 Prozent der 800 interviewten Fahrer in den letzten Jahren Alkohol getrunken hatten und 22 Prozent zugegeben hätten, eine Stunde nach dem Konsum von ein oder zwei Getränken gefahren zu sein. Achtzehn Prozent hatten Cannabis konsumiert, aber nur sechs Prozent von ihnen hätten ein Fahren unter dem Einfluss der Droge zugegeben.
(Quelle: Australian Associated Press vom 16. März 1999)

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