ACM-Mitteilungen vom 29. Oktober 2022
- Liebe Leserin, lieber Leser,
- Presseschau: Medizinisches Cannabis: Woran Gras auf Rezept noch immer scheitert (Zeit online)
- Presseschau: Bundeskabinett billigt Lauterbachs Pläne zur Cannabis-Legalisierung (Gesundheit.de)
- Presseschau: Kabinett befasst sich mit Eckpunkten : So soll die Cannabis-Freigabe ablaufen (Panorama, ARD)
Liebe Leserin, lieber Leser,
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat am 26. Oktober seine Pläne zur Legalisierung von Cannabis vorgestellt. Er wolle das Eckpunkte-Papier aber nicht als "großen Durchbruch in der Drogenpolitik verkaufen", da noch geschaut werden müsse, ob die Pläne der Bundesregierung mit internationalem Recht vereinbar sind. Viele Medien haben darüber berichtet. Am gleichen Tag wurden die Pläne von der Bundesregierung gebilligt.
Unabhängig davon macht sich die ACM dafür stark, dass die Bundesregierung und der Bundestag sich auch mit dringend notwendigen Verbesserungen beim Thema Cannabis als Medizin befassen. Dazu fand am 17. Oktober 2022 ein Gespräch mit dem Drogenbeauftragten der Bundesregierung Burkhard Blienert (SPD) im ACM-Büro statt.
Und im Übrigen: Das Betäubungsmittelgesetz wurde geschaffen, um Menschen vor gesundheitlichen Schäden durch Betäubungsmittel zu schützen. Es wurde nicht geschaffen, um kranke Menschen durch strafrechtliche Maßnahmen zu schädigen!
Franjo Grotenhermen
Presseschau: Medizinisches Cannabis: Woran Gras auf Rezept noch immer scheitert (Zeit online)
„Klar scheint allen Beteiligten, dass die bürokratischen Hürden beim Einsatz von medizinischem Cannabis gesenkt werden müssen. Da sind sich Horlemann und Grotenhermen einig. Auch aus der Ampelkoalition kommen entsprechende Signale.“
Medizinisches Cannabis: Woran Gras auf Rezept noch immer scheitert
Medizinisches Cannabis kann Menschen mit Multipler Sklerose und Krebs helfen. Seit 2017 dürfen Ärzte Rezepte ausstellen – und stehen trotzdem vor großen Problemen.
Für viele Menschen mit schweren chronischen Schmerzen sollte der 19. Januar 2017 ein guter Tag sein. Ein Tag, an dem Patienten, denen kaum noch etwas hilft, Zugang zu alternativen Mitteln erhalten. So formulierten es mehrere Abgeordnete der damals regierenden großen Koalition, als der Bundestag das sogenannte Cannabisgesetz verabschiedete. "Kiffen auf Rezept", nannten es damals überspitzt Medien. Dabei ging es nicht um den Rausch, sondern um Medizin.
Denn das ist Cannabis eben auch. Es mindert die Schmerzen von Krebspatienten, lindert Symptome etwa von Multipler Sklerose oder kann gegen Epilepsie helfen. Mittlerweile importiert Deutschland pro Jahr 20,6 Tonnen Cannabisblüten und Extrakte für medizinische Zwecke, weitere 2,6 Tonnen kommen aus inländischer Produktion. Richtig eingesetzt, da sind sich Experten einig, hat Cannabis in der Medizin großes Potenzial.
Deshalb durften Ärztinnen und Ärzte auch schon vor 2017 Cannabispräparate mit einer Sondergenehmigung verschreiben – seit fünf Jahren übernehmen die Krankenkassen nun auch die Kosten. So zumindest war das Gesetz gedacht. Man wolle eine medizinische Alternative zu Opioid-Schmerzmittel bieten, nur mit weniger Nebenwirkungen und weniger Suchtpotenzial, wie es damals im Plenarsaal hieß. Deutschland gründete eigens eine Cannabisagentur, die seitdem Anbau, Ernte, Verarbeitung, Vertrieb und Qualität von medizinischem Cannabis überwacht.
Bald nun will die neue Bundesregierung Cannabis generell legalisieren – für Genusszwecke. Ein Gesetzentwurf wird für Ende dieses oder Anfang des kommenden Jahres erwartet. Doch während dieses Vorhaben voranschreitet, ist die Lage für chronische Schmerzpatientinnen weiterhin kompliziert. Mehrere Verbände, die sich für Cannabis in der Medizin einsetzen, forderten deshalb kürzlich in einem offenen Brief, das Gesetz von 2017 zu reformieren.
Das Problem mit der bisherigen Regelung: Frei entscheiden, ob ein Cannabispräparat anderen Schmerzmitteln vorzuziehen ist, können Patienten und Ärztinnen nicht. Sie müssen erst sämtliche Standardtherapien ausschöpfen oder aber ausführlich begründen, warum diese nicht in Betracht kommen. Die Kassen prüfen jeden Fall einzeln – und lehnten seit 2017 fast 40 Prozent der Anträge auf Kostenübernahme ab, heißt es in dem offenen Brief. Dann müssen die Betroffenen selbst zahlen, was sich viele nicht leisten können. Sie würden deshalb in die Illegalität gedrängt oder sogar strafrechtlich verfolgt, heißt es in dem Brief weiter.
Das zumindest wäre mit der Legalisierung des Cannabis beendet. Aber viele kranke Menschen könnten gezwungen sein, sich selbst mit Cannabis einzudecken. Ohne ärztliche Beratung, ohne Therapieplan, ohne genaue Dosierung. Das Gesetz zu medizinischem Cannabis müsste also ebenfalls dringend überarbeitet werden – so sehen das auch Gesundheitspolitikerinnen von SPD, Grünen und FDP.
Eine Reform ist laut Bundesgesundheitsministerium tatsächlich angedacht. Die Grundlage dafür sollen die Daten über die Behandlungen mit medizinischem Cannabis aus den letzten fünf Jahren bringen. Aber hier gehen die Probleme nur weiter. Das alte Gesetz sah vor, die von den Kassen genehmigten Therapien in einer Begleitforschung zu erfassen und auszuwerten, um wichtige Fragen zu klären: Bei welchen Leiden genau helfen welche Präparate? Wann ist der Einsatz von reinen Cannabisblüten sinnvoll, wann der von Ölen, von Sprays unter der Zunge oder von Tabletten? Doch die Datenlage ist weiter dünn.
Mehr Lebensqualität durch medizinisches Cannabis
Das zeigt die Auswertung der Begleitforschung, die das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Anfang Juli veröffentlichte. Sie sollte eigentlich eine klare Bilanz für die Politik liefern: Wie gut funktioniert Cannabis als Medizin? Eine schnelle Übersicht: 75 Prozent der Patienten berichteten, dass sich ihre Symptome, 70 Prozent, dass sich ihre Lebensqualität verbessert habe.
Auf Basis dieser Auswertung des BfArM wollen Ärzteschaft und Krankenkassen bis Ende des Jahres im sogenannten Gemeinsamen Bundesausschuss ermitteln, welche Cannabistherapien als medizinische Leistungen von den Kassen künftig übernommen werden – ohne komplizierte Einzelfallprüfung. Aus dem Bundesgesundheitsministerium heißt es, man wolle darauf warten und erst dann über eine Reform des Gesetzes für medizinisches Cannabis nachdenken.
Das Vorgehen birgt Probleme, sagt der Arzt Franjo Grotenhermen. Er ist Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin, hat den offenen Brief mitverfasst und setzt sich seit Jahrzehnten dafür ein, dass kranke Menschen Cannabispräparate erhalten, auf Rezept, von der Krankenkasse bezahlt.
Grotenhermen kritisiert, dass nur zu etwa einem Drittel der Cannabisbehandlungen auch Daten vorlägen, von rund 17.000 Fällen. "Als Leitfaden für die Politik, um über eine weitere Regelung zu entscheiden, ist die Erhebung deshalb denkbar ungeeignet", sagt Grotenhermen. Für einige schmerzhafte Leiden liefere die Begleitforschung des BfArM kaum Daten. Dazu zählen etwa chronisch-entzündliche Erkrankungen wie die Darmkrankheit Morbus Crohn, bei der manche Studien Hinweise dafür liefern, dass Cannabis helfen könnte, andere jedoch keinen Effekt zeigen (Cochrane Database of Systematic Reviews, 2018: Kafil et al.).
Wenig Daten zu Tic-Störungen
Es habe mit der Begleitforschung einen Teufelskreis gegeben, sagt Grotenhermen: Die Krankenkassen haben die Kosten für viele Therapien nicht übernommen, mit Hinweis auf eine unzureichende Studienlage, beispielsweise wenn es um Cannabispräparate zur Behandlung von Epilepsie, Schlafstörungen oder Tourettesyndrom ging. Das wussten Ärztinnen, sie stellten also häufig von vornherein ein Privatrezept aus, wodurch wiederum die Therapien nicht in die Begleitforschung eingeflossen sind. Also gibt es heute keine Daten über deren Wirksamkeit – und keine Erstattung durch die Kassen. Und so geht der Teufelskreis weiter. Das Problem ist auch in der Politik bekannt. "Dadurch, dass die Kassen die Therapien genehmigen müssen, werden einige Indikationen vorab mehr oder weniger ausgeschlossen", sagt etwa Kirsten Kappert-Gonther, die für die Grünen im Bundestag für das Thema zuständig ist.
Johannes Horlemann, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin, berichtet davon, dass viele Hausärzte darauf verzichten, Cannabis überhaupt zu verschreiben. Zum aufwändigen Antragsverfahren und zur Wartezeit kommt, dass Ärzte bei Patientinnen, die höhere Mengen Cannabisprodukte brauchen, Gefahr laufen, sich vor den Krankenkassen für die Kosten zu rechtfertigen. Denn verschreibt ein Arzt deutlich mehr Medikamente als der Durchschnitt, kann die Krankenkasse eine Wirtschaftlichkeitsprüfung veranlassen und im Zweifelsfall hohe Summen zurückfordern.
Auch das BfArM sieht das Problem, dass die Begleitforschung zu wenige Daten für seltene Erkrankungen liefert, etwa Tic-Störungen oder Clusterkopfschmerzen. Das könne dazu führen, dass gegen diese Beschwerden keine neuen Arzneimittel auf Cannabisbasis mehr entwickelt werden. "Dies sollte nicht passieren", schreibt das BfArM. Generell spiegelten die Daten nicht die Versorgungsrealität wider – beispielsweise deshalb, weil deutlich mehr Fachärztinnen als Hausärzte mitgemacht hätten.
Besonders unzureichend ist die Datenlage beim Einsatz von Cannabis gegen psychiatrische Erkrankungen. Hier lehnten Kassen die Anträge am häufigsten pauschal ab, so Grotenhermen. Was auch daran liegt, dass viele Medizinerinnen zu Vorsicht mahnen, wenn es um Cannabis und Psyche geht. Horlemann hält hier den Einsatz für "eindeutig kontraindiziert" – warnt also vor Nebenwirkungen. Grotenhermen sagt dagegen, man müsse bei psychiatrischen Erkrankungen differenzieren. Studien zeigten, dass Cannabis zum Beispiel bei einer posttraumatischen Belastungsstörung helfen könnte (Journal of Affectional Disorders: LaFrance et al. 2020).
Die meisten Ärzte verschrieben Cannabis gegen Schmerzen
Trotz der Limitierungen der Begleitforschung liefert sie auch wichtige Hinweise, welche Therapien gut funktionieren. Demnach sind chronische Schmerzen der häufigste Grund, warum Ärzte ihren Patientinnen in den vergangenen fünf Jahren medizinisches Cannabis verschrieben haben. "Bei Schmerzpatienten machen wir mit Cannabis wirklich sehr gute Erfahrungen, wenn andere Therapieoptionen ausgereizt sind", sagt Horlemann. Die Opioide, die sonst als Schmerzmittel eingesetzt werden, können beispielsweise starke Übelkeit verursachen, die für Patienten unerträglich werden kann. Durch eine Kombination mit Cannabis lässt sich die Dosis der Opioide verringern. Nur ein Viertel der Ärzte gaben andere Beschwerden als chronische Schmerzen als Therapiegrund an, darunter Spastiken, Erbrechen, Appetitlosigkeit als Folge einer Therapie gegen Tumore.
Doch in vielen Bereichen bleibt Forschungsbedarf. Was den Einsatz von medizinischem Cannabis kompliziert macht: Die Pflanze enthält über 400 Wirkstoffe, die beiden wichtigsten sind der psychoaktive Wirkstoff THC und das entspannungsfördernde Cannabidiol (CBD). Wie genau die Substanzen Beschwerden lindern, ist bislang nicht klar. Sicher ist, dass die Wirkung von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich sein kann. Dafür, vermuten Mediziner, sind genetische Varianten des Endocannabioidsystems verantwortlich, an dem die Wirkstoffe andocken (International Journal of Moleculare Sciences, 2018: Kumar). Patientinnen und Ärzten bleibt also nur, auszuprobieren, ob Cannabis ihnen hilft.
Halluzinationen sind sehr selten
Das BfArM schreibt in seiner Auswertung, dass es Nebenwirkungen gebe. Meistens handele es sich um Müdigkeit, Schwindel, Aufmerksamkeitsstörungen, Übelkeit oder Schläfrigkeit. Wie schwer die Symptome sind, wurde nicht abgefragt, auch Wahnvorstellungen oder Halluzinationen sind gemeldet worden, allerdings sehr selten. "Da Nebenwirkungen nur selten zum Therapieabbruch geführt haben, ist grundsätzlich von weniger schwerwiegenden Nebenwirkungen auszugehen", schreibt das BfArM.
Die unerwünschten Effekte lassen sich auch gut beherrschen. Wenn Patientinnen beispielsweise wegen der Cannabiswirkstoffe müde würden oder sich nicht konzentrieren könnten, dann müsse das in der Therapieplanung natürlich berücksichtigt werden, sagt Horlemann. Vor allem, wenn sie selbst Auto oder Rad fahren. Bei älteren Menschen, die eh schon etwas wackelig auf den Beinen sind, erhöht Cannabis womöglich die Gefahr, zu stürzen und sich schwer zu verletzen. Richtlinien, an denen Ärzte sich bei diesen Fragen orientieren können, fehlen aber bisher.
Ebenfalls offen ist die Frage, bei welchen Beschwerden welche Darreichungsform die beste ist. Wann also helfen Blüten, wann Sprays, wann Tabletten am besten? Wann ist das psychoaktive THC, wann das entspannungsfördernde CBD die bessere Wahl – und wann sind die beiden Stoffe kombiniert am wirksamsten? Hier gibt es bisher nur Erfahrungswerte aus der klinischen Praxis. Patientinnen mit Multipler Sklerose etwa halfen Cannabisblüten am besten, um Symptome zu lindern, heißt es in den Auswertungen zur Begleitforschung.
Ampel will weniger bürokratische Hürden
Klar scheint allen Beteiligten, dass die bürokratischen Hürden beim Einsatz von medizinischem Cannabis gesenkt werden müssen. Da sind sich Horlemann und Grotenhermen einig. Auch aus der Ampelkoalition kommen entsprechende Signale. Dirk Heidenblut, für die SPD für das Thema im Bundestag zuständig, sagt: der Genehmigungsvorbehalt durch die Kassen "blockiert die Chance auf eine ärztlich empfohlene und Erfolg versprechende cannabisbasierte Therapiebehandlung". Eine Überarbeitung des Gesetzes sei geboten. Seine FDP-Kollegin Kristine Lütke spricht sich ebenfalls "ausdrücklich" für eine Abschaffung des Genehmigungsvorbehaltes aus. Auch der zusätzliche Forschungsbedarf ist offensichtlich: Das BfArM selbst schreibt, die Begleitforschung sei wichtig, erfülle aber die Anforderung an klinische Studien in keiner Weise.
Wie wichtig eine Reform ist, zeigen Erfahrung von Schmerzmedizinern wie Horlemann. Oft vergingen Wochen, bis eine Antwort von der Krankenkasse auf einen Therapieantrag komme, sagt er. Er erzählt von einem seiner Schmerzpatienten, der bei einem Motorradunfall seinen Arm verlor und drei Monate warten musste, bis die Kasse die Kosten für eine Cannabistherapie übernahm. "Stellen Sie sich vor, Sie sind schwer krank, Ihre Schmerzen treiben Sie fast in die Suizidalität, und dann müssen Sie so lange auf ein Medikament warten, das Ihnen vielleicht hilft", sagt er.
Solche Fälle hätte das Gesetz von 2017 bereits verhindern sollen.
Presseschau: Bundeskabinett billigt Lauterbachs Pläne zur Cannabis-Legalisierung (Gesundheit.de)
Die Pläne des Bundesgesundheitsministers zur Legalisierung von Cannabis für den Freizeitkonsum wurde am 26. Oktober von der Bundesregierung gebilligt.
Bundeskabinett billigt Lauterbachs Pläne zur Cannabis-Legalisierung
20 bis 30 Gramm zum Eigenkonsum sollen straffrei bleiben
Das Bundeskabinett hat am Mittwoch die Pläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zur Legalisierung von Cannabis gebilligt. Seine Eckpunkte zum geplanten Gesetz sehen vor, Erwerb und Besitz "bis zu einer Höchstmenge von 20 bis 30 Gramm Genusscannabis zum Eigenkonsum im privaten und öffentlichen Raum werden straffrei" zu lassen. Der private Eigenanbau wird in begrenztem Umfang erlaubt.
"Die Produktion, die Lieferung und der Vertrieb von Genusscannabis werden innerhalb eines lizenzierten und staatlich kontrollierten Rahmens zugelassen", heißt es in den Eckpunkten weiter. Für die Abgabe von Cannabis an Menschen ab 21 Jahren soll es keine Obergrenze für den THC-Gehalt geben, für jüngere Erwachsene wird eine solche Maßnahme geprüft.
Mit der Vorlage setzt Lauterbach ein Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung um. Nach dem Kabinettsbeschluss soll nun das Gesetzgebungsverfahren beginnen.
Presseschau: Kabinett befasst sich mit Eckpunkten : So soll die Cannabis-Freigabe ablaufen (Panorama, ARD)
Die ARD berichtete im Detail über die Pläne der Bundesregierung zur Legalisierung von Cannabis für den Freizeitkonsum.
Kabinett befasst sich mit Eckpunkten : So soll die Cannabis-Freigabe ablaufen
Am Mittwoch soll das Bundeskabinett die Eckpunkte von Gesundheitsminister Karl Lauterbach für die Legalisierung von Cannabis in Deutschland verabschieden. Bis zur Umsetzung des Gesetzesvorhabens ist es aber noch ein langer Weg. So viel Eigenbedarf soll straffrei bleiben.
Das Bundeskabinett wird sich an diesem Mittwoch mit der Legalisierung von Cannabis in Deutschland befassen. Die von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mit der Bundesregierung abgestimmten Eckpunkte sollen beschlossen und danach zu einem Gesetzentwurf ausgearbeitet werden. Das 19-seitige Papier, das unserer Redaktion vorliegt, sieht künftig einen straffreien Erwerb und Besitz „bis zu einer Höchstmenge von 20 bis 30 Gramm Genusscannabis“ zum Eigenkonsum vor. Hier ein Überblick der wichtigsten Inhalte des Plans.
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„Die Eckpunkte treffen wesentliche Aussagen zur Einführung der im Koalitionsvertrag vereinbarten kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken“, heißt es in dem Papier. „Umfangreiche Maßnahmen zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes für Konsumentinnen und Konsumenten, des Kinder- und Jugendschutzes sowie zu Informations-, Beratungs-, und Präventionsangeboten werden adressiert.“
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Durch eine staatlich kontrollierte Lieferkette sollen der Gesundheitsschutz gewährleistet und die organisierte Kriminalität sowie der Schwarzmarkt eingedämmt werden, heißt es darin weiter. Die gesellschaftlichen Auswirkungen des Gesetzes sollen nach vier Jahren evaluiert werden.
Vorgesehen ist den Eckpunkten zufolge, Produktion, Lieferung und Vertrieb von Cannabis „innerhalb eines lizenzierten und staatlich kontrollierten Rahmens“ zuzulassen. Eigenanbau zum Eigenkonsum soll in begrenztem Umfang gestattet sein und straffrei bleiben. Genannt werden „drei weibliche blühende Pflanzen pro volljähriger Person“.
Die kontrollierte Abgabe von Cannabis zu Genusszwecken soll in behördlich zugelassenen und überwachten Geschäften, gegebenenfalls auch in Apotheken, erfolgen. „Die lizenzierten Geschäfte sind alleine auf den Verkauf und die Beratung im Hinblick auf Genusscannabis ausgerichtet; eine Verknüpfung mit dem Verkauf anderer Genussmittel wie Tabak und Alkohol findet nicht statt“, heißt es in dem Papier. Werbung für Cannabisprodukte werde untersagt.
Als Mindestaltersgrenze für Verkauf und Erwerb soll das 18. Lebensjahr festgelegt werden. Anders als in vorherigen Plänen erwogen, soll es keine Staffelung des THC-Gehalts nach Altersgruppen geben. Ab 18 Jahren soll den Eckpunkten zufolge also auch starkes Genusscannabis erhältlich sein. Aber: Wegen des erhöhten Risikos für cannabisbedingte Gehirnschädigungen in der Adoleszenz werde geprüft, ob für die Abgabe an Erwachsene bis zum 21. Lebensjahr eine Obergrenze für den berauschenden Wirkstoff THC festgelegt wird, heißt es im Papier.
Synthetisch hergestellte Cannabinoide sollen nicht zugelassen werden. „Erlaubt werden Darreichungsformen zum Rauchen, Inhalieren, zur nasalen und oralen Aufnahme in Form von Kapseln, Sprays und Tropfen“, heißt es in den Eckpunkten. „Eine Erweiterung auf sogenannte Edibles (andere Erzeugnisse als Lebensmittel, die zur oralen Aufnahme angeboten werden) wird spätestens im Rahmen der Evaluierung des Gesetzes geprüft.“
Für Minderjährige sollen „die bisher strafrechtlich bewehrten Verhaltensweisen, insbesondere Anbau, Erwerb und Besitz von Genusscannabis weiterhin verboten“ bleiben. Jenseits der vorgesehenen Regelungen „machen sich Erwachsene wie Minderjährige weiterhin strafbar, unter anderem beim Handeltreiben und Inverkehrbringen ohne Lizenz unabhängig von der Menge sowie bei Erwerb, Besitz und Anbau oberhalb der jeweils erlaubten Mengen“. Die Eckpunkte sehen einen Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren und Geldstrafe vor.
Zudem ist eine Tilgung laufender Strafverfahren geplant. „Mit Inkrafttreten der geplanten Neuregelung sollen laufende Ermittlungs- und Strafverfahren zu dann nicht mehr strafbaren Handlungen beendet werden“, heißt es in den Eckpunkten. Umsätze aus Verkäufen von Genusscannabis sollen der Umsatzsteuer unterliegen. Daneben ist die Einführung einer besonderen Verbrauchssteuer („Cannabissteuer“) vorgesehen.
Die Kabinettsbefassung ist ein Zwischenschritt. Ein konkreter Gesetzentwurf soll erst kommen, wenn sich abzeichnet, dass es von der EU gegen die geplante Cannabis-Freigabe keine rechtlichen Einwände gibt. Dies ist jedoch unwahrscheinlich, bislang sind EU-Recht und Cannabis-Legalisierung nicht ohne weiteres vereinbar. An den bisher geplanten Regelungen kann sich im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens zudem noch viel ändern.
Thomas Preis, Chef des Apothekerverbands Nordrhein, rechnete indes nicht mit einer schnellen Umsetzung eines Gesetzgebungsverfahrens. „Denn die größte Hürde bleibt nach wie vor das internationale und das EU-Recht“, sagte er. Die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) habe sich bereits eindeutig gegen die Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken ausgesprochen und vor den gesundheitlichen Gefahren des Cannabiskonsums gewarnt. „Die Apotheken sehen sich bei der geplanten Cannabis-Legalisierung in einem heilberuflichen Konflikt.“ Auf der einen Seite seien Apotheken aufgrund ihrer fachlichen Expertise bestens geeignet, die notwendigen hohen Qualitätsstandards bei der Abgabe und Beratung zu erfüllen, sagte Preis. Und Apotheken seien flächendeckend vertreten. „Andererseits sind Apothekerinnen und Apotheker Heilberufler. Besonders kritisch wird auch eine mögliche Wettbewerbssituation mit rein kommerziellen Anbietern gesehen“, sagte er. „Mit der Abgabe von Cannabis haben wir schon seit 2017 sehr viel Erfahrung. Dabei versorgen wir aber Patienten aus therapeutischen Gründen gemäß einer ärztlichen Verordnung. Jetzt zweigleisig zu fahren und auch noch Cannabis zu Genusszwecken zu verkaufen, lehnen aktuell noch zahlreiche Apotheken ab“, sagte Preis.
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Die 12. IACM-Konferenz zu Cannabinoiden in der Medizin wird am 20. und 21. Oktober 2022 zusammen mit der Schweizerischen SSCM in Basel/Schweiz stattfinden.
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