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ACM-Mitteilungen vom 26. April 2008

Peter Stieg ist verstorben

ACM-Mitglied Peter Stieg aus Berlin, der nach mehrjährigem Kampf vor den Gerichten Ende vergangenen Jahres vom Vorwurf des illegalen Besitzes von Betäubungsmitteln freigesprochen wurde, ist Anfang April verstorben. In einem Brief des ACM-Vorstandsvorsitzenden Dr. Franjo Grotenhermen vom 21. April 2008 an die Mitglieder des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages heißt es dazu:
"Sehr geehrte Damen und Herren,
ich möchte sie darüber informieren, dass Herr Peter Stieg kürzlich verstorben ist. Nach einem Prozessmarathon von fünf Jahren hatte ihn das Berliner Landgericht am 20. September 2007 schließlich wegen Vorliegens eines "rechtfertigenden Notstands" vom Vorwurf des illegalen Besitzes von Cannabis freigesprochen. Er verwendete die Droge zur Behandlung seiner schweren Erkrankungen. Das BfArM hatte seinen Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung zu medizinischen Verwendung von Cannabis aus Gründen, die mir nicht bekannt sind, im Jahr 2007 abgelehnt. Herr Stieg hatte in den letzten Jahren ein schweres gesundheitliches Los zu tragen, das durch die Verwendung von Cannabis gelindert und durch das Verhalten staatlicher Organe erschwert wurde.
Ein weiteres, vom Tod bedrohtes ACM-Mitglied ist Herr Heiko Zachariasen, der ohne Cannabis kaum Nahrung aufnehmen kann und nach eigenen Angaben auf ein Gewicht von 51,5 kg abgemagert ist (bei einer Größe von 1,83 m). Auch er hat einen Antrag beim BfArM auf eine Ausnahmegenehmigung zur medizinischen Verwendung von Cannabis gestellt, dem grundsätzlich stattgegeben worden sei. Herr Zachariasen rief mich Anfang letzter Woche an, um mir aufgewühlt von einem Telefonat mit einem Mitarbeiter der Bundesopiumstelle zu berichten. Ihm sei darin mitgeteilt worden, dass man zur Zeit sein Vorstrafenregister aufarbeite. Das könne noch ein bis zwei Monate dauern. Heute erhielt er ein Schreiben vom BfArM, in dem mitgeteilt wurde, dass man nun seine Gerichtsakten anfordern werde, um diese zu prüfen. Gleichzeitig wurde die Krankenkasse von Herrn Zachariasen aufgefordert, eine Einzelfallprüfung zur Kostenübernahme von Dronabinol vorzunehmen, da der appetitsteigernde Effekt von Cannabisprodukten bei ihm "nachvollziehbar" sei und ein "potenziell lebensbedrohlicher" Gesundheitszustand vorliege. Herr Zachariasen fragt sich nun, ob man ihn in Deutschland "verrecken" lassen werde, weil er wegen des illegalen Besitzes von Betäubungsmitteln vor vielen Jahren verurteilt worden war. Herr Zachariasen ist Jude und überlegt, über die jüdische Botschaft einen Asylantrag in den Niederlanden zu stellen, weiß aber nicht, ob er dies wegen seines erheblich reduzierten Gesundheitszustandes und seiner angespannten finanziellen Situation noch umsetzen kann.
Die Bundesopiumstelle handelt auf der Grundlage der bestehenden Gesetze. Bitte machen Sie sich für Änderungen stark, die die Situation Schwerkranker, die von einer Therapie mit Cannabisprodukten profitieren, verbessert."

Nach Auffassung der Drogenbeauftragten der Bundesregierung trägt das Cannabisverbot zur Reduzierung des Konsums der Droge bei

Die wissenschaftliche Forschung hat weitgehend übereinstimmend ergeben, dass die unterschiedliche Rechtslage in verschiedenen Ländern bzw. Staaten keinen oder nur einen geringen Einfluss auf den Umfang des Cannabiskonsums hat. Zuletzt hat der Autor einer Übersicht in der Zeitschrift Current Opinion in Psychiatry im März 2008 festgestellt, dass "nahezu alle frühere Übersichten zur gleichen Schlussfolgerung gelangen: die Entkriminalisierung von Cannabis führt nicht zu einer erheblichen Zunahme der Cannabiskonsumraten". Das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht stellte für Deutschland in einer Studie im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums im Jahr 2006 fest, dass "große Differenzen" bei der Strafverfolgung von Cannabiskonsumenten in den verschiedenen Bundesländern bestünden, und dass ein Vergleich mit einer Erhebung des Instituts für Therapieforschung zeige, dass die Verbreitung des Cannabiskonsums vermutlich keine Beziehung zur Strafverfolgungspraxis aufweise.
Selbst wenn die generelle Prohibition zu einer geringen Reduzierung der Konsumraten beiträgt, so ist zumindest bei Patienten, die von Cannabisprodukten medizinisch profitieren, das Verbot der Verwendung von Cannabis nicht zu legitimieren, da in diesen Fällen der Schaden des Verbots überwiegt.
In einer Online-Debatte auf der Website abgeordnetenwatch.de wies ein Teilnehmer die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sabine Bätzing, darauf hin, dass die vergleichbaren Konsumraten von Cannabis in den Niederlanden und der Bundesrepublik Deutschland für die Untauglichkeit des Verbots als Mittel zur Reduzierung des Konsums sprechen. Frau Bätzing antwortete darauf wie folgt:
"Ihre im Zusammenhang mit Daten aus den Jahren 1997 bzw. 2000/2001 geäußerte Annahme, Prohibition sei nutzlos, teile ich nicht. Im August 2007 habe ich mich zum Cannabisverbot in diesem Forum u.a. wie folgt positioniert: "wie ich in diesem Forum schon an anderer Stelle ausgeführt habe, halte ich Cannabis nicht für eine harmlose Droge. Es geht mir daher darum, den Konsum von Cannabis insgesamt zu reduzieren. Dazu gehören Informationen über die Gesundheitsrisiken, die Prävention, die Behandlung von Abhängigen, die Schadensreduzierung, aber auch die Angebotsreduzierung. Die Unterstellung von Cannabis unter das Betäubungsmittelgesetz dient dazu, den Konsum zu reduzieren, um die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen." Ergänzend möchte ich anfügen, dass die 30-Tage-Prävalenz des Cannabiskonsums in der Altersgruppe 18-64 Jahre in Deutschland nach Ergebnissen des aktuellen Epidemiologischen Suchtsurveys (der 2006 durchgeführt wurde) 2,2% beträgt. Der über die EURopäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) verfügbare Vergleichswert aus den Niederlanden (der aus einer Studie aus dem Jahr 2005 stammt) beträgt für die 15-64-Jährigen 3,3%."

Die Frage und die Antwort von Frau Bätzing finden sich unter:
www.abgeordnetenwatch.de

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